Autor: Technikabteilung Mycond
Einer der häufigsten Planungsfehler bei Luftentfeuchtungssystemen ist die übermäßige Fokussierung von Ingenieurinnen und Ingenieuren auf die mechanische Ausrüstung, während architektonische Gebäudebesonderheiten und organisatorische Maßnahmen vernachlässigt werden. Gerade diese Faktoren beeinflussen die Feuchtelast der Anlage direkt und können die Kosten erheblich erhöhen. Für eine effiziente Auslegung ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der alle Aspekte des Projekts berücksichtigt – von der Zieldefinition bis zur Regelung.

Erste Phase: Definition des Projektziels
Warum das kritisch ist
Ohne ein klares Verständnis des fundamentalen Grundes, warum in einem konkreten Projekt die Feuchte geregelt werden soll, lassen sich keine richtigen Entscheidungen zur Regelgenauigkeit, zum Anlagentyp und zum Budget treffen. Die korrekte Zieldefinition ist die Grundlage für alle weiteren technischen Entscheidungen.
Praxisbeispiel: unterschiedliche Ziele — unterschiedliche Lösungen
Betrachten wir zwei kontrastierende Fälle. Fall 1: Lagerung von Mais, wo es genügt, die Feuchte bei maximal 60 % RH ohne Kondensation zu halten. Hier kann das System sehr einfach mit Basiskontrollen ausgeführt werden. Fall 2: Produktion von Lithium-Batterien, bei der Lithium mit Wasserdampf reagiert und bereits bei 2 % RH explosionsgefährlichen Wasserstoff freisetzt. Für eine solche Anwendung ist ein Regler mit ±5 % RH völlig inakzeptabel, hier ist hochpräzise Spezialausrüstung unabhängig von den Kosten erforderlich.
Realer Fall misslungener Auslegung
In einem Munitionsdepot verlangte das Pflichtenheft „maximal 40 % RH aufrechtzuerhalten“. Das System erfüllte diese Vorgabe exakt, dennoch korrodierte die Munition. Das Problem: Das Metalldach des Lagers kühlte nachts unter den Taupunkt ab, es bildete sich Kondensat, das auf die Munition tropfte. Wäre das Ziel als „Korrosion der Munition verhindern“ formuliert worden, hätte der Ingenieur das Kondensationsproblem an kalten Oberflächen adressiert.
Praktische Empfehlungen
Bei der Zieldefinition einer Entfeuchtungsanlage sollten folgende Fragen gestellt werden: Welches fundamentale Problem ist zu lösen? Welche Folgen hat unzureichende Feuchtekontrolle? Gibt es alternative Ursachen außer hoher Feuchte? Wie kritisch sind Abweichungen von den Sollwerten?
Zweite Phase: Festlegung von Regelwerten und Toleranzen
Definition der absoluten Feuchte
Ein häufiger Fehler ist die Spezifikation ausschließlich in relativer Feuchte (% RH) ohne Angabe der Temperatur. Zum Beispiel entsprechen 30 % RH bei 21°C einer absoluten Feuchte von 4,6 g/kg, während 30 % RH bei 10°C nur 2,3 g/kg sind. Faustregel: Feuchte immer in absoluten Einheiten angeben oder RH stets zusammen mit einem Temperaturbereich spezifizieren.
Beispiel: In der pharmazeutischen Produktion erfolgt das Tablettieren bei 10 % RH und 21°C. Die Raumtemperatur schwankt um ±1,5°C, was zu absoluten Feuchtewerten von 1,4 g/kg bei 19,5°C bis 1,7 g/kg bei 22,5°C führt. Ingenieurmaßnahme: Regelung auf einen Taupunkt von −7°C (entspricht 1,6 g/kg) unabhängig von Temperaturschwankungen.
Innen- vs. Außenbedingungen
Bei der Auslegung einer Entfeuchtungsanlage ist mit zwei Datensätzen zu arbeiten: Innenbedingungen (zu haltende Werte) und Außenbedingungen (gegen die das System arbeitet). Das ermöglicht eine präzise Berechnung der Feuchtelasten.
Auswahl der Auslegungs-Außenklimata
Für die Berechnung der Außenbedingungen werden ASHRAE-Daten für Europa mit drei Überschreitungshäufigkeiten verwendet: 0,4 % (wird 35 Stunden pro Jahr überschritten), 1,0 % (88 Stunden), 2,0 % (175 Stunden). Beispiel: Für Wien beträgt der extreme Taupunkt beim 1-%-Fall +16°C bei einer Temperatur von +30°C. Für eine pharmazeutische Produktion, bei der Stillstand mehr als €40.000 pro Tag kostet, wird 0,4 % angesetzt, für ein weniger kritisches Lager 2 %.

Festlegung der Toleranzen
Weite Toleranzen (±3–5 % RH oder ±1,5°C Taupunkt) erlauben einfachere und günstigere Systeme. Enge Toleranzen (±1 % RH oder ±0,5°C Taupunkt) erfordern hochpräzise Sensoren, komplexere Algorithmen, Redundanzen und erhöhen die Systemkosten deutlich.
Dritte Phase: Berechnung der Feuchtelasten
Hauptquellen der Feuchte
Bei der Auslegung sind sieben Hauptquellen der Feuchte zu berücksichtigen: Diffusion durch Hüllflächen, Verdunstung durch Personen, Desorption aus Materialien und Produkten, Verdunstung von offenen Oberflächen, Verbrennungsprodukte, Infiltration durch Undichtigkeiten, Feuchte der Zuluft.
Formeln für die Berechnung der Hauptlasten
Diffusion durch Wände: W = A × μ × Δpᵥ, wobei A — Fläche (m²), μ — Wasserdampfdurchlässigkeit (g/(m²·h·Pa)), Δpᵥ — Differenz des Wasserdampf-Partialdrucks (Pa). Beispiel: Betonwand 200 mm mit dampfbremsender Farbe μ = 0,054 g/(m²·h·Pa), Feuchtedifferenz 16–4 g/kg, Fläche 100 m², Δpᵥ = 12 × 133 = 1.596 Pa, W = 100 × 0,054 × 1.596 = 8,6 g/h. Dieser Wert ist im Vergleich zu anderen Quellen gering.
Feuchteabgabe durch Personen: W = n × wₚ, wobei n — Personenzahl, wₚ — spezifische Feuchteabgabe. Typische wₚ-Werte: sitzende Tätigkeit 40–50 g/h, leichte körperliche Arbeit 90–120 g/h, schwere körperliche Arbeit 150–200 g/h.
Infiltration durch geöffnete Türen: W = ρ × V × n × t × (wₑₓₜ - wᵢₙₜ), wobei ρ — Luftdichte (kg/m³), V — Luftvolumen durch die Öffnung (m³), n — Anzahl der Öffnungen, t — Öffnungszeit (h), wₑₓₜ und wᵢₙₜ — absolute Feuchte außen bzw. innen (g/kg). Beispiel: Tür 2×2,5 m (V = 10 m³), 15 Öffnungen pro Stunde zu je 30 s, Außenfeuchte 16 g/kg, Innenfeuchte 4 g/kg: W = 1,2 × 10 × 15 × 0,0083 × 12 = 18 g/h. Bei 3 Minuten Öffnungszeit: W = 108 g/h. Fazit: Reduktion der Öffnungszeit von 3 auf 0,5 Minuten senkt die Last um den Faktor 6.
Feuchte der Zuluft: W = Q × ρ × (wₑₓₜ - wᵢₙₜ), wobei Q — Luftvolumenstrom (m³/h). Beispiel: Lüftung 400 m³/h: W = 400 × 1,2 × 12 = 5.760 g/h = 5,76 kg/h. Das ist in den meisten Systemen die größte Last.
Praxisbeispiel: Kühlhauslager
Betrachten wir ein Lager mit 75×23×4,3 m, Innenbedingungen +2°C mit Taupunkt −9°C (2,0 g/kg) und Außenbedingungen +28°C mit Taupunkt +16°C (11,4 g/kg). Zwei Tore 3×3 m mit 15 Verladungen pro Stunde. Berechnung: Diffusion durch die Hülle ~100 g/h, Infiltration durch die Tore bei 1 Minute Öffnungszeit: V = 18 m³, W = 1,2 × 18 × 15 × (1/60) × 9,4 = 61 g/h. Wären die Tore je 3 Minuten offen: W = 152 g/h. Die Reduktion der Öffnungszeit senkt die Last um 60 % und erlaubt eine halb so große Anlage.
Vierte Phase: Auswahl der Geräte
Wahl des Systemtyps
Es gibt zwei Haupttypen von Entfeuchtungssystemen. Kältebasierte (Kondensations-) Systeme sind effizient bei Temperaturen >15°C und hoher Feuchte mit einer praktischen Taupunktgrenze von +4…+7°C (darunter friert das Kondensat). Adsorptionssysteme (Desiccant) sind effizient bei niedrigen Taupunkten <+5°C, arbeiten bei beliebigen Temperaturen und erreichen Taupunkte von −40°C und darunter.

Kombinierte Systeme
Die optimale Lösung für viele Anwendungen ist ein Hybridsystem: Vorkühlung der Luft von +16°C auf +7°C mit einer Kälteanlage, anschließend Entfeuchtung mit Adsorption von +7°C auf −7°C. Vorteile: Jedes System arbeitet im optimalen Bereich, der Gesamtenergieverbrauch sinkt um 30–40 %.
Berechnung des erforderlichen Volumenstroms trockener Luft
Für die Berechnung des Volumenstroms trockener Luft gilt: Q = W / [ρ × (wᵣₑₜᵤᵣₙ - wₛᵤₚₚₗᵧ)], wobei Q — Luftvolumenstrom (m³/h), W — Feuchtelast (g/h), wᵣₑₜᵤᵣₙ — Feuchte im Raum, wₛᵤₚₚₗᵧ — Feuchte hinter dem Entfeuchter. Beispiel: Last 200 g/h, Regelung 4 g/kg, Entfeuchter bis 0,7 g/kg, Q = 200 / [1,2 × 3,3] = 50,5 m³/h.
Auswahl der Entfeuchterleistung
Schlüsselparameter eines Adsorptionsentfeuchters: optimale Luftgeschwindigkeit durch das Desiccant 400–600 m/min; Regenerationstemperatur 120–250°C; Verhältnis Prozess/Regeneration 3:1 bis 5:1. Der austretende Taupunkt hängt von Geschwindigkeit und Temperatur ab: bei 400 m/min und 190°C wird −15°C erreicht, bei 250°C −25°C; bei 600 m/min und 190°C −10°C, bei 250°C −18°C.
Berechnung der Wärmelast
Bei der Adsorption von Feuchte wird Wärme frei, die abzuführen ist: Q = W × (hᵥ + Δhₐ), wobei hᵥ = 2.500 kJ/kg — Verdampfungswärme von Wasser, Δhₐ ≈ 200 kJ/kg — zusätzliche Adsorptionswärme. Beispiel: Bei 5 kg/h Feuchteentzug: Q = (5/3.600) × 2.700 × 1.000 = 3.750 W = 3,75 kW.
Fünfte Phase: Regelungssystem
Grundprinzipien der Regelung
Die Regelung eines Entfeuchters muss die zuverlässige Einhaltung der Sollwerte sicherstellen, die Leistung bei wechselnden Lasten modulieren, den Energieverbrauch minimieren und die Ausrüstung vor Fehlbetriebszuständen schützen.
Typen von Feuchtereglern
Zur Feuchteregelung werden verschiedene Regler eingesetzt: Hygrostat Ein/Aus mit ±3–5 % RH für unkritische Räume; Taupunktregler mit ±0,5–1,0°C, unabhängig von der Lufttemperatur, empfohlen für Taupunkte unter +5°C; PID-Regler mit Modulation, Genauigkeit ±1 % RH oder ±0,3°C Taupunkt, erforderlich für kritische Anwendungen.

Leistungsmodulation des Adsorptionsentfeuchters
Für die Leistungsregelung werden zwei Hauptmethoden verwendet. Erstens: Bypass des Prozessluftstroms — einfach und kostengünstig, aber die Regenerationsenergie sinkt nicht. Formel für die effektive Leistung: Qₑff = Qₘₐₓ × (1−k), wobei k — Bypass-Koeffizient. Zweitens: Modulation der Regenerationstemperatur. Ein Sensor überwacht 120–130°C am Austritt des Regenerationssektors; sinkt die Last, steigt die Temperatur und signalisiert die Reduktion der Heizleistung. Formel für die Einsparung: ΔE = Pₙₒₘ × (1 − Tₐcₜᵤₐₗ/Tₙₒₘ) × τ.
Platzierung der Sensoren
Die korrekte Platzierung der Feuchtesensoren ist kritisch: in Zonen guter Luftdurchmischung, mindestens 3 m von Ausblasgittern entfernt, in 1,5–2 m Höhe über Boden, fern von lokalen Feuchtequellen und Extremtemperaturen. Für mehrzonige Räume empfiehlt sich die parallele Installation mehrerer Sensoren, damit das System auf den höchsten Feuchtewert reagiert.
Schutz vor Kondensation
Zum Schutz vor Kondensation auf kalten Oberflächen werden Oberflächentaupunktsensoren verwendet nach dem Prinzip: Wenn Tₛᵤᵣfₐcₑ < Tdₑw + ΔT, wird die Entfeuchtung aktiviert, wobei ΔT = 2–3°C als Sicherheitsabstand dient.
Systemoptimierung zur Minimierung der Kosten
Reduktion der Investitionskosten
Wesentliche Hebel zur Reduktion der Investitionskosten: Minimierung der Feuchtelasten durch Abdichtung des Gebäudes (Amortisation 3–12 Monate), Management der Türöffnungen, Einsatz von Luftschleiern oder Schleusen; Optimierung der Sollwerte — jeder Grad niedrigeren Taupunkts erhöht die Kosten um 8–12 %, daher übermäßig strenge Anforderungen vermeiden; Einsatz kombinierter Systeme mit 20–35 % Einsparung gegenüber Monosystemen.
Reduktion der Betriebskosten
Zur Senkung der Betriebskosten wird empfohlen: Rückgewinnung der Regenerationswärme mittels Luft/Luft-Wärmetauscher mit 60–80 % Rückgewinnung (Qᵣₑcₒᵥₑᵣᵧ = ṁ × cₚ × (Tₑₓₕₐᵤₛₜ − Tᵢₙₗₑₜ) × η) mit typischen Einsparungen von 15.000–40.000 kWh/Jahr; Nutzung von Niedertemperatur-Energiequellen (KWK, Geothermie, Abwärme von Kälteanlagen); saisonale Optimierung — im Winter ist Außenluft trockener als Innenluft, wodurch „Free Dehumidification“ möglich ist und die Last um 40–70 % sinkt.
Typische Planungsfehler
Fehler 1 — Unterschätzung der Infiltration. Beispiel: Auslegung mit 3 kg/h Last, real 8 kg/h durch ungeplante Toröffnungen. Lösung: Sicherheitszuschlag 25–40 % für Produktionsbereiche vorsehen.
Fehler 2 — Ignorieren der Bauaustrocknung. Neue Gebäude enthalten Feuchte in der Bausubstanz, Beton und Gipskarton geben über 2–6 Monate 100–500 kg Feuchte ab. Lösung: Intensiv-Austrocknungsmodus oder temporäre Zusatzleistung einplanen.
Fehler 3 — Falsche Sensorplatzierung. Beispiel: Ein Sensor nahe dem Entfeuchterauslass zeigte 5 % RH, während es in der Arbeitszone 35 % RH waren, aufgrund schlechter Durchmischung. Lösung: Strömungssimulation oder Installation von Umluftventilatoren.
Fazit
Die Fünf-Phasen-Methodik zur Auslegung von Luftentfeuchtungssystemen ermöglicht eine effiziente und wirtschaftliche Lösung: Ein klares Projektziel ist die Basis aller Entscheidungen; passende Regelwerte sorgen für ein Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Kosten; die genaue Lastberechnung ist die Voraussetzung für die richtige Geräteauswahl; die optimale Gerätewahl berücksichtigt den gesamten Lebenszyklus; eine intelligente Regelung minimiert die Betriebskosten.
Wichtig ist zu verstehen: Erfolgreich ist nicht das komplexeste System, sondern das einfachste, das die Aufgabe zuverlässig mit minimalen Lebenszykluskosten erfüllt. Die durchschnittliche Amortisationszeit eines gut ausgelegten Entfeuchtungssystems beträgt 1,5–4 Jahre und macht Investitionen in hochwertige Planung hochrentabel.